Post-COVID-Syndrom: Wiederherstellung der Zellenergie als Schlüssel zur Genesung

Das Post-COVID-Syndrom (Long/Post-COVID) – Eine komplexe Herausforderung

Das Post-COVID-Syndrom, auch als Long COVID bekannt, ist ein komplexes Krankheitsbild, das durch langanhaltende Symptome gekennzeichnet ist, die Wochen oder Monate nach einer SARS-CoV-2-Infektion bestehen bleiben oder neu auftreten. Die Symptomatik ist vielfältig und umfasst häufig chronische Müdigkeit (Fatigue), kognitive Störungen (Brain Fog), Schlafstörungen, Depressionen sowie Muskel- und Gelenkschmerzen. Die zugrundeliegende Pathophysiologie wird intensiv erforscht, wobei ein zentraler Mechanismus zunehmend in den Fokus rückt: die Dysfunktion der zellulären Energieproduktion.

Wissenschaftlicher Hintergrund: Die Rolle der Mitochondrien und des Energiemangels

Unsere Beobachtungen und die aktuelle wissenschaftliche Literatur legen nahe, dass bei vielen Post-COVID-Patienten ein tiefgreifender Energiemangel auf Zellebene vorliegt, der als Mitochondriale Dysfunktion bezeichnet wird.

1. Mitochondriale Dysfunktion und Energiemangel

Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zelle. Ihre Hauptaufgabe ist die effiziente Produktion von Adenosintriphosphat (ATP), dem universellen Energieträger des Körpers. Dieser Prozess, die aerobe Atmung, benötigt Sauerstoff und findet in der mitochondrialen Elektronentransportkette statt.

Die Beobachtung bei Post-COVID-Patienten:

  • Anaerobe Energiegewinnung: Bei unseren Patienten haben wir mittels spezialisierter Atemgasanalyse festgestellt, dass die Energieproduktion primär über den anaeroben Stoffwechsel im Zytoplasma (Zellplasma) abläuft. Dies ist ein Notfallmechanismus, der ohne Sauerstoff funktioniert, aber extrem ineffizient ist (produziert nur 2 Moleküle ATP pro Glukosemolekül, im Gegensatz zu bis zu 38 in den Mitochondrien).

  • Ausfall der Mitochondrien: Die Mitochondrien selbst zeigen eine stark reduzierte oder nahezu vollständig eingestellte Energiebereitstellung.

Dieser Mangel an zellulärer Energie (ATP) erklärt die Kernsymptome:

  • Fatigue und Erschöpfung: Der Körper kann elementare Zellfunktionen nicht ausreichend aufrechterhalten.

  • Schlafstörungen und Depressionen: Nervenzellen benötigen für ihre Funktion (Neurotransmitter-Produktion, Signalübertragung) eine enorme Menge an Energie.

  • Kognitive Probleme ("Brain Fog"): Die unzureichende Energieversorgung des Gehirns beeinträchtigt die Denkprozesse.

Die mitochondriale Dysfunktion wird in der Forschung als eine zentrale pathophysiologische Komponente bei Post-COVID-19 und dem eng verwandten Myalgischen Enzephalomyelitis/Chronischen Fatigue Syndrom (ME/CFS) intensiv diskutiert. Virale Attacken können eine Mitochondrienschädigung auslösen, die langfristig bestehen bleibt und die Symptomatik fördert ("Hit-and-Run"-Hypothese).

Die Regenerationsstrategie: Wiederherstellung der mitochondrialen Funktion

Unsere Behandlungsstrategie ist darauf ausgerichtet, die zelluläre Energieproduktion zu reaktivieren, indem wir die Leistung und die Anzahl der Mitochondrien wiederherstellen.

2. Intermittierende Hypoxie-Hyperoxie-Therapie (IHHT)

Im Zentrum unserer Therapie steht die Intermittierende Hypoxie-Hyperoxie-Therapie (IHHT), oft auch als "simuliertes Höhentraining im Liegen" bezeichnet.

Funktionsweise und Wissenschaft: Die IHHT nutzt den gezielten, kontrollierten Wechsel von sauerstoffarmer (Hypoxie, ähnlich der Höhenluft) und sauerstoffreicher (Hyperoxie) Atemluft.

  • Hypoxische Phase (Sauerstoffentzug): Der kurzfristige Sauerstoffmangel erzeugt einen zellulären Stressreiz. Ältere, beschädigte und leistungsschwache Mitochondrien sind diesem Stress nicht gewachsen und gehen zugrunde (Mitophagie). Gleichzeitig wird der Körper stimuliert, neue, gesunde Mitochondrien zu bilden (Mitochondriogenese).

  • Hyperoxische Phase (Sauerstoffüberschuss): Die anschließende Phase mit sauerstoffreicher Luft fördert die Regeneration und Zellheilung der neu gebildeten, leistungsfähigen Mitochondrien.

Ergebnis: Durch diesen gezielten Trainingsreiz wird nicht nur die Leistungsfähigkeit der Mitochondrien verbessert, sondern auch deren Anzahl massiv vermehrt. Dies führt zu einer nachhaltigen Steigerung der ATP-Produktion, wodurch die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit zunimmt, Müdigkeit und Brain Fog abnehmen und die allgemeine Vitalität zurückkehrt.

3. Gezielte orthomolekulare Versorgung: Nährstoffe für die Zellkraftwerke

Mitochondrien benötigen spezifische Co-Faktoren, Enzyme und Nährstoffe, um die aerobe Energiegewinnung effizient durchzuführen. Bei einem vorliegenden Mangel kann die Leistung der Mitochondrien selbst bei IHHT-Training nicht optimal hochgefahren werden.

Schlüssel-Nährstoffe für die Mitochondrien:

  • Coenzym Q10 (Ubiquinol): Ein essenzieller Bestandteil der mitochondrialen Elektronentransportkette, wo es als Elektronenüberträger wirkt. Es ist für die ATP-Produktion unverzichtbar und besitzt starke antioxidative Eigenschaften.

  • B-Vitamine: Sie sind als Co-Faktoren an zahlreichen Stoffwechselschritten beteiligt, die Glukose und Fette in die Mitochondrien einschleusen (z.B. Citratzyklus).

  • NADH (Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid, reduzierte Form): Als Coenzym 1 ist NADH der wichtigste Wasserstoff- und Elektronenlieferant für die Atmungskette. Eine direkte Zufuhr kann die "Brennstoffversorgung" der Mitochondrien sofort unterstützen.

  • Nicotinamid-Ribosid (NR): Ein Vorläufer von NAD+, welches für die Energieproduktion und Zellreparatur zentral ist.

  • Eisen (freies Eisen und Ferritin): Eisen ist essenziell für die Bildung von Hämoglobin, das den Sauerstoff transportiert, der für die aerobe ATP-Produktion in den Mitochondrien zwingend notwendig ist. Ein optimaler Eisenstatus (Ferritin im guten Bereich) ist daher Voraussetzung für eine erfolgreiche mitochondriale Regeneration.

Der Entzündungs- und Immunmodulations-Kreislauf

Ein weiterer zentraler Pfeiler der Post-COVID-Symptomatik ist eine anhaltende immunologische Dysregulation und chronische Entzündung im Körper.

4. Spike-Protein Persistenz und Immunsystem

Das SARS-CoV-2-Virus kann das Immunsystem massiv stören. Es gibt Hinweise in der Literatur, dass das virale Spike-Protein oder Virus-Reservoire (in geringen Mengen) lange nach der akuten Infektion in verschiedenen Geweben, wie dem Gehirn oder Lymphknoten, persistieren können.

  • Schwächung des Immunsystems: Ein geschwächtes Immunsystem kann die virale Last nicht vollständig eliminieren. Ein Wiederanstieg der nachweisbaren Spike-Proteine kann auf eine Immunschwäche hindeuten, bei der das Virus oder seine Komponenten wieder überhandnehmen.

  • Zelluläre Entzündung: Die Persistenz des Virus oder seiner Bestandteile führt zu einer chronischen, oft "stillen" Entzündung im gesamten Körper (Neuroinflammation, Endotheliale Dysfunktion), welche die Mitochondrien zusätzlich schädigt und die Fatigue verstärkt.

Therapieansatz – Entzündungshemmung und Antioxidantien:

  • Antioxidantien: Zum Schutz der Zellen und Mitochondrien vor oxidativem Stress, der durch Entzündungen und die gestörte Energieproduktion entsteht.

  • Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA): Diese sind bekannt für ihre potenten entzündungshemmenden Eigenschaften und können helfen, chronische, stille Entzündungen zu bekämpfen.

5. Mikrobiom und die Darm-Hirn-Achse

Die COVID-19-Infektion kann das sensible Gleichgewicht der Darmflora nachhaltig stören (Dysbiose), was oft weit über die akute Krankheitsphase hinausgeht.

  • Entzündungsproduktion: Eine Fehlbesiedelung im Darm kann zur Bildung entzündungsfördernder Stoffwechselprodukte führen, die über die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf gelangen und systemische Entzündungen auslösen oder verstärken.

  • Immun- und Hirn-Einfluss: Über die komplexe Darm-Hirn-Achse beeinflusst das Mikrobiom sowohl das Immunsystem als auch die neurologischen Funktionen. Eine Dysbiose kann das Immunsystem zunächst überreagieren lassen und es dann schwächen. Zudem verstärkt sie Symptome wie "Brain Fog" und depressive Verstimmungen.

Therapieansatz: Eine gezielte Untersuchung und Wiederherstellung des Mikrobioms (z. B. durch Probiotika und präbiotische Nährstoffe) ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung, um die Entzündungen zu reduzieren und die Immunfunktion zu stabilisieren.

6. Niedrig dosiertes Lithium: Antivirale und neuroprotektive Effekte

In der Literatur wird zudem der Einsatz von niedrig dosiertem Lithium diskutiert.

  • Antivirale Wirkung: Lithium besitzt in vitro und in einigen klinischen Kontexten antivirale Eigenschaften und könnte dazu beitragen, die Replikation oder Persistenz des SARS-CoV-2-Virus oder seiner Komponenten in Schach zu halten.

  • Neuroprotektion: Darüber hinaus werden niedrig dosiertem Lithium neuroprotektive und entzündungshemmende Effekte zugeschrieben, die besonders bei neurologischen Symptomen wie Brain Fog von Bedeutung sein können.

Lithium ist in der Schweiz nicht als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen, jedoch in den USA frei verkäuflich. Auf ärtzliches Rezept kann jedoch die Apotheke niedrig dosiertes Lithium Orotat herstellen. In der Regel genügen bereits Dosen von 5-10mg pro Tag.

Fazit: Ein ganzheitlicher Weg zur Genesung

Das Post-COVID-Syndrom erfordert ein ganzheitliches, mehrstufiges Therapiekonzept, das über die reine Symptombehandlung hinausgeht. Unsere Strategie basiert auf der Erkenntnis, dass die Wiederherstellung der zellulären Energieproduktion durch die IHHT-Therapie und die gezielte Gabe mitochondrialer Nährstoffe (Q10, NADH, B-Vitamine etc.) der zentrale Schlüssel zur Genesung ist.

Gleichzeitig adressieren wir die zugrundeliegende immunologische Dysregulation und chronische Entzündung durch:

  • Die Stärkung des Immunsystems.

  • Den Einsatz von Antioxidantien und Omega-3-Fettsäuren.

  • Die Sanierung des Mikrobioms.

  • Mögliche Unterstützung durch Substanzen wie niedrig dosiertes Lithium.

Diese Kombination zielt darauf ab, die Zellfunktionen wieder normal ablaufen zu lassen, die Leistungsfähigkeit zu steigern und unseren Patienten zu helfen, die chronische Müdigkeit und die begleitenden Symptome des Post-COVID-Syndroms nachhaltig zu überwinden.

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